„So koscher muslimisch nicht“. Religiöse Vielfalt in der Kita – Ein Beitrag von Dr. Ebtisam Ramadan
Religiöse Differenz in der frühen Kindheit ist ein sehr komplexes und umfassendes Thema. In meiner Forschungsarbeit im Elementarbereich habe ich religiöse Zugehörigkeit als soziale Unterscheidungskomponente betrachtet. Denn diese ist in der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung bisher unterrepräsentiert.
Die Institutionalisierung der frühen Kindheit wurde in Deutschland in den letzten 25 bis 30 Jahren stark vorangetrieben. Seit 1996 gibt es den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, seit 2013 auf einen Krippenplatz. Die primäre Sozialisationsinstanz ist inzwischen der Kindergarten, die Schule ist damit abgelöst worden.
Der Anspruch an die Frühpädagogik ist dabei, Ungleichheiten im Lebenslauf als Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn möglichst zu minimieren. Damit haben sich auch die Ansprüche an den Erzieher:innenberuf erhöht, so dass sich die Ausbildung immer mehr in den Hochschulbereich verlagert. Gleichzeitig herrscht ein Mangel an Erzieher:innen und Kitaplätzen.
Das Thema Religionspädagogik im Elementarbereich ist in Deutschland durch die verschiedenen Trägerschaften geprägt. Die kommunalen Einrichtungen berufen sich auf die Neutralitätsgebot des Staates bei der Frage nach religiöser Früherziehung in Kindertagesstätten. In der freien Trägerlandschaft gibt es viele kirchliche Betreiber, und die religiöse Bildung liegt weitgehend bei diesen Trägern. Auch wenn in Ballungsgebieten weitere religiöse Träger bzw. interkulturelle Kitas hinzugekommen sind, gibt es einen großen Bedarf an religiöser Früherziehung jenseits der christlicher Träger.
Aus rassismuskritischer und diversitätsorientierter Perspektive sind die Zustände in diesem pädagogischen Handlungsfeld wissenschaftsanalytisch aufzuarbeiten. Allerdings behandelt die erziehungswissenschaftliche Kindheitsforschung das Themenfeld Religion kaum, sodass die religiöse Differenz in Kitas als Forschungsgegenstand bisher eine geringe wissenschaftliche Relevanz erfahren hat. Aus der rassismuskritischen Migrationsforschung ist bekannt, dass bestehende Rassismen in Deutschland auch schon in vorschulischen Lebenswelten zum Tragen kommen.
Gerade im säkularen Umfeld von Berlin ist das Drei-Religionen-Kita-Haus ein mutiges Projekt. Es verkörpert für mich den interreligiösen Charakter der Stadt. Ich bin gespannt, wie dieses Pionierprojekt aufgenommen wird. Und ich hoffe, es kann dazu beitragen, Bedarfe gerechter abzudecken und weniger Rassismuserfahrungen für unsere Kinder zu ermöglichen.
Dr. Ebtisam Ramadan ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am DeZIM-Institut und für die wissenschaftliche Begleitung von Modellprojekten im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zuständig. Sie promovierte an der Universität Bielefeld zum Thema religiöse Differenz im Elementarbereich. Bis April 2021 war sie als freie Mitarbeiterin bei der Fachstelle Kinderwelten vom Institut für den Situationsansatz tätig. Dort wirkte sie bei der Erstellung von Empfehlungslisten für vorurteilsbewusste und diversitätsorientierte Kinderliteratur mit.
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Foto: Anna Golz