Teil 2 unserer Miniserie über den Entstehungsprozess und die Erkenntnissen einer Doktorarbeit über das Drei-Religionen-Kita-Haus-Projekt von Silke Radosh-Hinder:
Viel Vertrauen der Beteiligten
Die Beteiligten der Initiative haben sich auf dieses mutige Projekt mit sehr viel Vertrauen eingelassen. Ich konnte dafür von Ende 2015 bis 2019 die Verhandlungsgespräche der Beteiligten aufnehmen, transkribieren (also aufschreiben) und analysieren. Das erforderte von allen sehr viel Vertrauen in meine Forschungsarbeit, denn am Anfang wussten wir alle noch nicht so ganz genau, worauf wir uns da einlassen würden. Zunächst war es wohl die Faszination für das Besondere und die schlichte Neugierde darauf, was das Besondere sein könnte, was in den Gesprächen zwar wahrzunehmen, aber nur schwer zu benennen war. Und es ging auch darum, die Chance zu nutzen, einen solchen einmaligen Prozess wissenschaftlich zu begleiten: Der Entwicklungsprozess für dieses bislang einmalige und visionäre Projekt sollte diese wissenschaftliche Mühe allemal wert sein.
Wie werden Konflikte bewältigt?
Die zentrale Frage (Forschungsfrage), die im Zentrum meiner Doktorarbeit stand, lautet: Wie kommunizieren die Initiatorinnen der Drei-Religionen-Kita miteinander? Es ging also um die Frage, ob es besondere Formen der Kommunikation bei den Verhandlungen zur Drei-Religionen-Kita gab, welche Rolle religiöse Inhalte oder Themen zum Gelingen der Verhandlungen beitragen, wie im Gespräch mit den unterschiedlichen Strukturen der beteiligten religiösen Gruppen umgegangen wird oder ob es zum Beispiel bestimmte Strategien gibt, wie Konflikten oder Krisen innerhalb der Beteiligten bewältigt werden konnten. Hier ließen sich tatsächlich sehr überraschende Ergebnisse machen. Ergebnisse, die bisher in der Forschung für interreligiöse Studien nicht nur relativ neu waren, sondern auch solche, die die Beteiligten selbst überrascht haben.
Das Besondere interreligiöser Gespräche
Mit der Entscheidung, mich auf Fragen der Kommunikation (also des sprachlichen Handelns) zu beziehen, musste ich zunächst beschreiben, wie ich Kommunikation verstehe. Hier konnte ich mich gut auf Hannah Arendt beziehen, für die die Pluralität und die Tatsache, dass Menschen mit ihrer Geburt immer einen neuen Anfang machen (Gebürtlichkeit) Grundlage des menschlichen Miteianders überhaupt ist und damit auch Grundlage gemeinsamer Kommunikation ist. Wenn Menschen miteinander handeln, entsteht ein Zwischenraum (inter), mit diesen Zwischenräumen entsteht das, was sie Beziehungsgewebe von Menschen untereinander nennt. Dieser Grundgedanke von Arendt war wesentlich für meine Forschung. Auch mit Jürgen Habermas und der Theorie kommunikativen Handelns konnte ich mich der Frage nähern, was das Besondere dieser interreligiösen Gespräche ausmacht. Methodisch ließ sich dieses Forschungsprojekt dann als Einzelfallstudie beschreiben. Neben dieser theoretischen Einordnung wurden Texte (also insgesamt 15 verschriftlichen Gespräche der Initiative zwischen 2015 und 2019) softwareunterstützt mehrfach bearbeitet, codiert und miteinander verglichen, bis Strukturen erkennbar wurden.
Dabei war mir immer bewusst, dass die Gespräche nicht im luftleeren Raum stattfanden, weshalb sie sowohl historisch im Rahmen der Geschichte interreligiöser Zusammenarbeit eingeordnet wurden, als auch die Rahmenbedingungen untersucht wurden, die auf die Gespräche einwirken, also z. B. die finanzielle Situation, die besondere Situation von Berlin, was die Innenstadtverdichtung angeht, die Anforderungen an Kita-Konzeptionen usw.
Abonnieren Sie unseren Newsletter mit mehr interessanten Themen und News rund um das Projekt Drei-Religionen-Kita-Haus!