Was habe ich heraus­gefunden?

bunte Schnipsel auf gelbem Untergrund

Teil 3 unserer Miniserie über den Entstehungsprozess und die Erkenntnissen einer Doktorarbeit über interreligiöse Kommunikation anhand des Drei-Religionen-Kita-Haus-Projekts von Silke Radosh-Hinder:

Zwei Dinge waren von Anfang auffällig in den interreligiösen Gesprächen, die wir geführt haben: 1. Die Gespräche wurden kontinuierlich von Lachen begleitet und 2. fanden sich in jedem Gespräch lange Phasen von Alltagskommunikation, also solcher Gespräche, bei denen die Beteiligten sich über alltägliche Erlebnisse berichten, die aber mit dem „eigentlichen Thema“ (dem Bau einer Drei-Religionen-Kita) zunächst nichts zu tun hatten. Nach der abschätzigen Bemerkung eines Kollegen an der Universität, dass die Kita mit so einem Gesprächsstil, also dem „Plaudern“, ja sicher nichts werden könne, wollte ich es dann genau wissen, warum diese Phasen des „Smalltalks“ vielleicht doch gerade wichtig für die Verhandlungen waren.

Beide Phänomene, das Lachen wie die Alltagskommunikation, zeigten sich dabei als grundlegende Elemente, die dazu dienen, eine enge Beziehung zwischen den Beteiligten herzustellen. Nicht nur teilen alle am Lachen Beteiligten eine ähnliche, intensive körperliche Erfahrung, Lachen kann auch nur dann entstehen, wenn Menschen so miteinander sprechen, dass sie aufeinander eingespielt sind, um die gegenseitigen Auslöser des Lachens aufnehmen und ggfs. auch verstärken zu können.

Lachen

Dabei habe ich mich im Rahmen meiner Forschung auf das Lachen beschränkt und die Themen „Humor“ und „Witz“, die mit Lachen zusammenhängen können, aber nicht müssen, außen vor gelassen (auch das negative Formen wie etwa Auslachen kamen in den Verhandlungsgesprächen nicht vor). Es geht um solche Momente, die nur in diesen spezifischen Situationen zum Lachen anregen, nicht wie beim Witz, der theoretisch auch in anderen Kontexten funktioniert. Lachen war dabei nicht nur zur Konfliktabwehr oder um Stresssituation aufzulösen wichtig, sondern es eröffnete auch einen „Spielraum“, in dem eine (interreligiöse) Gegenwirklichkeit über das Spiel mit sprachlichen Absurditäten gemeinsam kommunikativ entwickelt und so in den Verhandlungen konkret werden konnte. Lachen dient dabei als Eröffner dieses Spielraumes und ermöglicht Widerstandspotential gegen scheinbar unüberwindbare Hindernisse auf dem Weg zur Umsetzung der Idee der Drei-Religionen-Kita. Ja, über das gemeinsame Lachen bricht immer wieder eine bessere Gegenwelt in die Aushandlungen ein.

(Religiösen) Alltag teilen

Alltagskommunikation wiederum ist in der Form von Smalltalk eine kommunikative Struktur, die durch den Austausch von privaten Alltagsthemen wichtig ist, um Vertrauen der Gesprächspartner:innen untereinander aufzubauen. Aber es hat darüber hinaus auch die Funktion, sich mit dem (unbekannten) religiösen Alltag der anderen vertraut zu machen, um so einen neuen – hier interreligiösen – Alltag aller Beteiligter herzustellen. Wo die Gesprächspartner:innen zwar über eine gutes (lexikalisches) Wissen der anderen Religionen verfügen, braucht es die Erzählungen der konkreten religiösen und individuellen Praxis der anderen, um aus theoretischem Wissen einen geteilten Alltag entstehen zu lassen. Hier schließen sich häufige Nachfragen an: Wie ist das denn bei Euch? Oder: Wie machst Du das eigentlich, wenn…?

Visionäre Räume

Darüber hinaus hat Alltagskommunikation als Form der Geselligkeit wiederum die Möglichkeit, einen Raum für visionäre Entwicklung herzustellen, weil sie sich im Zwischenraum – zwischen notwendigen Anforderungen – findet. Schon für die Berliner Salonkultur des 19 Jhds hatte Schleiermacher diese Form der Kommunikation als Raum des Visionären bezeichnet, in dem alle Beteiligten ihre Vorstellungen mit denen der anderen in Abstimmung bringen könnten und eigene festgelegte Vorstellungen so oft durchkreuzt würden, dass Offenheit für neue – bislang unbekannten Visionen entsteht. Alltagskommunikation und Geselligkeit in Kombination mit geteiltem Lachen ist also wesentlich nicht nur für die Entwicklung gemeinsamer interreligiöser Erfahrungskontexte, sondern auch für Eröffnung gemeinsamer visionärer Räume.

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