Kinder – Bücher – Religion

Johanna Lindemann, Foto: Doris Spiekermann-Klaas

Interview mit der Autorin Johanna Lindemann

Johanna, du bist Kinderbuchautorin. Es geht um „Kinder – Bücher – Religion“. Mit Kindern über Glaube zu sprechen, ist für viele Eltern gar nicht so leicht. Inwiefern eignen sich Bücher und Geschichten, um Kindern schwierige Themen wie Religion näherzubringen?

Schwierig am Thema Religion finde ich eher die vielen, furchtbaren Dinge, die im Namen der Religion und des Glaubens passiert sind. Ansonsten habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kindern der Glaube an sich leichtfällt – wenn man tief in sich drin auch dafür offen ist. Kinder haben ja diese feinen Antennen, ob man auch lebt, wovon man da redet. Mir hat der Austausch mit meinen Töchtern geholfen, meinen verlorenen gegangen Glauben wieder zu finden, mich mit Fragen auseinanderzusetzen, die ich lange ausgeblendet hatte. Bilderbücher aller Art sind da immer gute Anlässe, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen. Allein schon dadurch, dass man sich beim Vorlesen körperlich so nahe ist. Bibelgeschichten und andere christliche Botschaften, die ich selbst früher nicht verstanden habe, habe ich so übersetzt, dass sie für mich und meine Kinder Sinn machen. Ich bin interreligiös unterwegs, für mich ist Glaube ein Zustand, den alle Religionen versuchen, zu beschreiben. Wirklich fühlen tue ich ihn erst, wenn ich meinen Verstand verlasse und in meinem Herzen bin.

Eines deiner Bücher spielt an Weihnachten, ein anderes am Martinstag. Vor dem Hintergrund dieser Feiertage erzählst Du darin Geschichten, die etwas vom Geist dieser Feste transportieren, ohne sie explizit zu erklären. Wie sind diese Geschichten entstanden? War es Deine Intention, Kindern etwas ‚von Gott‘ zu erzählen?

Der Verlag Annette Betz bat mich, mir eine Bilderbuchgeschichte zum Martinstag auszudenken. In der Zeit, als ich über eine Idee brütete, ging ich mehrmals am Tag in Friedrichshain die Revaler Straße in Friedrichshain hoch und runter, um meine Tochter zur Kita zu bringen oder abzuholen. Von Monat zu Monat saßen oder lagen dort mehr obdachlose Menschen auf dem Fußweg. Einmal fragte mich meine Tochter: „Lebt der Mann noch?“ Da musste ich erst mal schlucken, weil ich ungern Hilfestellung leisten wollte. Andere Menschen sagten zu mir, ich solle einfach wegschauen. Das konnte ich wiederum auch nicht. Ich glaube, dass das Wegschauen etwas mit uns macht und es fühlt sich nicht richtig an – vor allem, wenn die Tochter danebensteht, der man doch gute Werte vermitteln möchte. Dieses Erlebnis inspirierte mich zu der Geschichte von einem obdachlosen Mann, der einem Jungen hilft, dem am Martinstag seine Laterne kaputt gegangen ist.

Weil sich mein Laternenbuch so gut verkauft, bat mich der Verlag, mir eine Geschichte zu Weihnachten auszudenken. Auch da habe ich mich bei der Ideenfindung vom echten Leben inspirieren lassen. Mir hat mal jemand erzählt, dass ihnen der Weihnachtsbraten aus einem Berliner Hausflur gestohlen wurde. Die Geschichte habe ich weitergesponnen und mir ein modernes Weihnachtsfest ausgedacht, über das sich in meiner Phantasie Jesus gefreut hätte.

Insofern hatte ich es nicht beabsichtigt, Kindern etwas von Gott zu erzählen, sondern die Bücher spiegeln meine Erfahrungen, Werte und Haltung zum Leben wieder.

Welche Bücher, die Glaubensfragen kindgerecht thematisieren, fandest Du als Autorin und Mutter inspirierend?

Gute Frage! Neben vielen schönen Kinderbibeln (ich bin Fan von dem Klassiker Kees de Kort) gibt es so viele Bilderbücher, die christliche Werte vermitteln. Ich habe mir mit meinen Töchtern regelmäßig ganze Stapel in Bibliotheken ausgeliehen. Zum Thema „Glaubensfragen“ fallen mir spontan folgende Bücher ein:

 „Der Baum, der sich nicht lumpen ließ“ von Shel Silverstein (im Original heißt der Titel schöner: „The giving tree“): Eine nachdenkliche Geschichte über einen Baum, der wirklich alles gibt.

„Der Baum der Erinnerung“ von Britta Teckentrup: Der Fuchs stirbt und alle Tiere erinnern sich. Ein berührendes Buch zum Thema Tod.

„Du bist einmalig“ von Max Lucado: Eine Holzpuppe lernt, dass sie bedingungslos geliebt wird und wie wichtig es ist, sich darin nicht von anderen beeinflussen zu lassen.


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