Interreligiöser Dialog im Kindesalter

Fereshta Ludin (c) LiMa P.

Interview mit Fereshta Ludin vom Initiativkreis „Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche“

Fereshta Ludin ist Mitglied des Koordinierungskreises des Berliner Forums der Religionen und Initiatorin und Leiterin des Initiativkreises „Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche“ sowie Autorin. Sie war langjährig in der Werkstatt der Religionen und Weltanschauungen aktiv. Sie hat das erste und zweite Staatsexamen für Grundschule und Sek I (Baden- Württemberg) sowie ein abgeschlossenes Studium in Schulmanagement (Potsdam) und in der Weiterqualifizierung (Master of Arts) in Schul- und Bildungsmanagement (Potsdam). Außerdem ist sie Mentoring für Lehrer:innen und Quereinsteiger:innen.

Frau Ludin, wie kann interreligiöser Dialog gelingen?

Interreligiöser Dialog kann dann gelingen, wenn Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Weltanschauungen an gemeinsamen Werten, die sie verbinden, festhalten und diese als ihre Basis der Zusammenarbeit und Grund des Zusammenhalts sehen. Es ist letztenendes die spirituelle und positive Energie, der Wille oder Glaube, die verbinden und dass Menschen trotz Unterschiede und jenseits der religiös begründeten Konflikte miteinander leben können.

Und was unterscheidet die Dialogarbeit mit Kindern vom interreligiösen Dialog unter Erwachsenen?

Als Erwachsene sind wir im interreligiösen Bereich Vorbilder und Multiplikator*innen, die das friedliche Zusammenleben der Religionen mit unserem Wissen und Engagement fördern und stärken. Wir tragen eine Verantwortung dafür, Werte wie Achtsamkeit, Respekt und gegenseitige Verständigung weiterzugeben, in dem wir diese Haltung und Werte selbst leben und professionell in unsere Arbeit umsetzen. Mit Kindern und Jugendlichen interreligiös zu arbeiten, heißt, eine besondere Sensibilität gegenüber ihren diversen Hintergründen zu haben, Empathie mit ihnen zu empfinden und sich ihrer Gedankenwelt zu nähern.

Welche Methoden nutzen Sie in der Arbeit als Lehrerin und im Initiativkreis, um die interreligiöse Kompetenz bei Kindern zu stärken?

Als Lehrerin empfand ich langjährig geplante Projekte ergiebiger als kurzlebige oder einmalige Projekt. Wenn wir nachhaltig interreligiöse Projekte an Kitas und Schulen planen, dann ist es wichtig, die Elternarbeit in diesem Bereich im Vorfeld zu stärken, über die Projekte transparent zu kommunizieren und uns über die konkreten Bildungsziele mit ihnen auszutauschen.  Kita- und Schulleitungshandeln und ihre Unterstützung bei der Durchführung solcher Projekte sind ebenso entscheidend. In Berlin haben wir jedoch eine Situation, in der Religionen und Menschen mit religiöser Identität im Bildungswesen mit vielen Vorbehalten, Generalverdachtsmomente, Hürden und Ausgrenzung erleben. Dieser Bereich sollte in Zukunft genauer durch die Forschung ermittelt werden.

An Schulen zum Beispiel ist interreligiöse Bildung nicht nur im Bereich des Religions- und Ethikunterrichts anzusiedeln, sondern kann auch im sozialen Lernen oder zu den Inhalten des Deutsch- oder Geschichtsunterrichts mitgedacht werden. Interreligiöses Lernen beruht auf ein Basiswissen und -kompetenz, das Kinder und Jugendliche erlangen können, um ihre vorurteilsfreie und sensible Wahrnehmung, Bewusstsein und Wissen über andersdenkende und lebende Menschen zu schulen und sie auf ihre gesellschaftliche Realität besser vorzubereiten. Somit kann präventiv für den Schulfrieden gesorgt werden.

Die Arbeit des Initiativkreises „Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche“ zielen auf die Förderung demokratischer Verhaltensweisen und den Respekt vor insbesondere religiöser Vielfalt ab. Zugleich wird durch intensive Dialogarbeit präventiv Ausgrenzung, Mobbing und gesellschaftsfeindlichen Extremismus- und Radikalisierungstendenzen jeglicher Art entgegengewirkt. Konkret gesprochen, bieten wir Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und Multiplikator*innen, um ihre Kompetenzen in diesem Bereich zu stärken und auszubauen. Die interreligiöse Kompetenz gehört in den Bildungseinrichtungen und im Bildungswesen im Allgemeinen zu den Grundkompetenzen, die perspektivisch eine besondere Rolle spielen werden. Darüber hinaus bieten wir Exkursionsmöglichkeiten, Workshops, Vorträge, Kinder- und Jugendfestivals etc., um die praktische Begegnung und Bildung der Heranwachsenden zu unterstützen. Mehr zu unserer Arbeit finden Sie unter dem Link: http://direkiju.de/

Welche Ansätze gibt es im frühkindlichen Bereich?

Wir haben es in Berlin mit vielen staatlich oder konfessionell gebundene Kita- und Schuleinrichtungen zu tun. Die konfessionell gebundenen Kitas- und Schuleinrichtungen sind in der Regel in freier Trägerschaft. Diese haben einen klaren Ansatz, ihre eigene Glaubensrichtung zu etablieren und die Identitätsbildung der Kinder in diesem Sinne zu stärken. Was jedoch oft in Vergessenheit gerät, ist, dass Kinder jenseits dieser Institutionen ihr Leben im Erwachsenenalter führen. Deshalb ist es unglaublich notwendig, sich nicht ausschließlich in der eigenen Blase in dieser wichtigen Phase des Lebens zu bewegen, sondern sich mit der pluralen Welt, die aus mehr als eine Religionsgemeinschaft oder Weltanschauung besteht, näher auseinanderzusetzen. An öffentlichen Schulen findet man in Berlin eher die entgegengesetzte Richtung, nämlich die, die entweder die Unsichtbarkeit von Religionen präferiert oder dominante Religionen oder Weltanschauungen bevorzugt behandelt. Minderheitenreligionen geraten in der Regel im Hintergrund.

Studien belegen, dass Gottesvorstellung der Kinder durch ihre Familie, enge Bezugspersonen und institutionelle Betreuung der Kinder geprägt werden (Dietzsch, A., 2019). Umso wichtiger ist es, in diesem Rahmen sowohl im Kindergarten, als auch im Schulalter interreligiöses Lernen und Kennenlernen, das Reflektieren in Sachen Religionen, aber auch reale Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen, als wichtige pädagogische Ziele zu erachten. Den Raum und den Rahmen hierfür können und sollten Pädagog*innen ermöglichen, die eine Grundqualifikation in diesem Bereich haben.

Welche Rolle spielt die Dialogarbeit mit Kindern in einer Stadt wie Berlin?

Auf Grund des stetigen demografischen Wandels in Berlin, Deutschland und international haben wir als Menschen aus allen Bereichen des Lebens für eine friedliche Koexistenz aller Menschen beizutragen, und sind dafür mitverantwortlich. Kitas, Schulen, Ausbildungsstätte und Unis sind Spiegelbild unserer Gesellschaft. Daran gemeinsam zu arbeiten, dass das Zusammenleben für alle, mit allen ihren vielfältigen Hintergründen, möglichst gut und geprägt von Chancengleichheit und gerechte Teilhabe möglich wird, ist unsere gemeinsame Aufgabe.


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