Der Drei-Religionen-Kita-Haus-Fragebogen … mit Indra Bahía

Indra Bahia

Für den Drei-Religionen-Kita-Haus-Fragebogen haben wir uns eine Reihe von Fragen zum interreligiösen Dialog mit Kindern überlegt und lassen diese von Menschen aus unserem Netzwerk beantworten. In loser Folge könnt Ihr hier nachlesen, wie interreligiös Engagierte reflektieren, was auch uns bewegt.

Heute Indra Bahía, Pädagogische Referentin beim Berliner Forum der Religionen:

Was war Ihre inspirierendste Begegnung im interreligiösen Kontext?

Das Lustigste und Süßeste war auf jeden Fall, als ich den Teilnehmer:innen auf der 10. Weltfriedenskonferenz 2019 in Lindau am Bodensee eine kleine Krishna-Puppe in den Arm gab. Photos davon gibt es auf meinem Instagram-Kanal @indra.bahia. Die Frage ist doch: Wie sehr können wir Personen aus einer vermeintlich anderen Tradition wirklich mit offenen Armen und Herzen begegnen? In unserem Büro sitzt übrigens auch eine schöne Stoffpuppe von Jesus 🙂

Welche Irritation im interreligiösen Gespräch hat Sie am meisten vorangebracht?

Erst vor ein paar Tagen hatte ich eine Begegnung mit einer jungen, religiösen Frau, die, als wir über verschiedene Lebensentwürfe sprachen, sagte, ja, sie sei offen für alle und alles, aber dann beiläufig meinte, sie hoffe trotzdem, dass die Anderen doch noch zur „wahren Religionen“ kommen werden. Sie meinte damit natürlich ihre eigene Weltanschauung. In und außerhalb meiner Arbeit komme ich nahehzu täglich mit Menschen in Kontakt, mit denen ich über Gott und die Welt rede. Das ist zugleich interessant und intensiv. Ich lerne in diesen Begegnungen sehr viel und es erfüllt mich mit Demut, langsam zu begreifen, dass es ein wahrlich großes, ehrliches und um Liebe bemütes, ausdauerfähiges Herz braucht, um Menschen zu verstehen und so anzunehmen, wie und wo sie gerade sind – auch die heimlichen Fanatics – und dass ich selbst noch auf dem Weg bin.

Welche ästhetischen Zugänge gibt es für Sie?

Ich bin gerne irgendwo in der Natur – am besten mit großem, weiten Himmel und Fahrrad! Dort, in der Stille und dem Lesen liegen die schönsten Zugänge für mich, um in Verbindung mit Gott und mir selbst zu treten.

Welches Buch für die Bibliothek der Erwachsenen darf in der Drei-Religionen-Kita nicht fehlen?

Mein Lieblingsbuch und alltime Classic; die Bhagavad Gita. Dieser „Gesang des Göttlichen“, wie es übersetzt aus dem Sanskrit lautet, ist nämlich gar kar keine „Hindu-Bibel“, wie umgangssprachlich manchmal gesagt wird, sondern diese heilige Schrift handelt umfassend von der spirituellen Seele, Gott und den universellen Gesetzmäßigkeiten, denen wir ergeben sind, egal ob wir uns christlich, muslimisch, jüdisch oder Pastafari nennen. Die Gita ist für jede:n, denn sie handelt von den uns tief innewohnenden Gemeinsamkeiten, fern von weltlichen Dogmen.

Welches Buch darf im Regal der Drei-Religionen-Kita nicht fehlen?

Neben lustigen Büchern, gerne auch ein, zwei Kinderbücher über Tod, Trauer und Trost.

Wo sehen Sie das größte Problem im Zusammenleben der Religionen?

Die Religionen an sich sind ja nicht das Problem, es sind wir Menschen, die wir oftmals einen sehr beschränkten Horizont haben. Ob im religiösen Kontext oder anderswo: Wenn du unsicher bist, projizierst du deine Unsicherheit meist auch auf andere. Diese Unsicherheiten haben oftmals leider aber auch sehr bittere, reale Ursachen: Wirtschaftliche Benachteiligung, eingeschränkte oder verwehrte Zugänge zu Bildung und viele andere Formen von unausgesprochener Unterdrückung kommen dann eben im gesellschaftlichen Zusammenleben hoch und äußern sich sprichwörtlich auf teils explosive Weise. Und ja, unter der Sonne geschehen viele schlimme Dinge! Hmm, aber ist daran letztendlich wirklich die Sonne (Gott, Religion) Schuld?

Welche Fragen würden Sie zum interreligiösen Dialog gerne noch beantworten?

Ich finde den interreligiösen Dialog innerhalb von Partnerschaften und Familien super spannend! Dazu könnte viel mehr Forschung und Berichterstattung erscheinen, besonders da es mehr und mehr Kinder gibt, die multikulturell und multireligiös aufwachsen.


Indra Bahía ist Diversity Trainerin, Interreligious Peer und pädagogische Referentin beim Berliner Forum der Religionen.

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